Hannah Arendt schrieb’s schon vor 70 Jahren den Deutschen ins Stammbuch:

„Der wohl hervorstechendste und auch erschreckendste Aspekt der deutschen Realitätsflucht liegt jedoch in der Haltung, mit Tatsachen so umzugehen, als handele es sich um bloße Meinungen. Beispielsweise kommt als Antwort auf die Frage, wer den Krieg begonnen habe – ein keineswegs heiß umstrittenes Thema -, eine überraschende Vielfalt von Meinungen zutage. In Süddeutschland erzählte mir eine Frau von ansonsten durchschnittlicher Intelligenz, die Russen hätten mit einem Angriff auf Danzig den Krieg begonnen – das ist nur das gröbste von vielen Beispielen.

Hannah Arendt

Doch die Verwandlung von Tatsachen in Meinungen ist nicht allein auf die Kriegsfrage beschränkt; auf allen Gebieten gibt es unter dem Vorwand, daß jeder das Recht auf eine eigene Meinung habe, eine Art Gentlemen’s Agreement, dem zufolge jeder das Recht auf Unwissenheit besitzt – und dahinter verbirgt sich die stillschweigende Annahme, daß es auf Tatsachen nun wirklich nicht ankommt.

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