Kategorie: künstliche intelligenz

„Call to action“ für die Heldenreise

Samira, Wahrheit wird uns immer häufiger vorgegaukelt, hat keinen wahrhaftigen Wert mehr. Reality TV hat mit Wahrheit nichts am Hut, etliche Instagram-Sternchen präsentieren ihr narratives Selbst. Worin liegt die Faszination von Erzählungen, so unwahr sie auch sind?

Da würden Reality-Stars sicherlich widersprechen, schließlich verkündet in jedem ernstzunehmenden Format irgendwann irgendwer den geradezu zauberformelhaften Satz: “Die Masken sind gefallen!” Im Reality-TV wird immer schon die Frage nach Wahrheit oder Echtheit verhandelt und zugleich wird dabei gerade im Zusammenspiel mit den sozialen Medien wie Instagram sichtbar, dass diese Frage, also wer real oder fake ist, eben ein wesentlicher Bestandteil eines großen Wahrheitsspiels ist. Und letztlich scheinen im Reality-TV oftmals diejenigen Charaktere bei den Zuschauer:innen am meisten zu punkten, die “bei sich” bleiben, dabei aber zugleich eine mehr oder weniger klassische Heldenreise mit Höhen und Tiefen hinlegen. Und dafür werden sie am Ende vom Publikum in Form von Anrufen, Kronen und Preisgeld belohnt. Dabei können durchaus Momente der Wahrhaftigkeit entstehen.

Samira El Ouassil im Interview mit Eckard Christiani

Was Wahrheit ist, so würde ich behaupten, wird in jedem Medium und in jedem Format erst hervorgebracht und ist nicht nur von der Selbstinszenierung der Stars abhängig, sondern z.B. auch von Kameras, Schnitt und Montage, die sie narrativieren. Um beim Reality-TV zu bleiben: hier geht es beim Erzählen gar nicht so sehr um die Kategorien wahr / unwahr, sondern vielmehr um den Reiz, dass eben eindrucksvolle Heldenreisen aufkeimen können, wenn man eine Gruppe von Menschen in einen Dschungel, in ein Sommer- oder Strandhaus steckt. Unter den Masken lauern dabei jedoch vor allem neue. Und als Aficionada vieler Reality-Formate würde ich sagen: dass hier mit einer spielerischen Fabulierfreude eigene Wahrheiten fabriziert werden und dabei unterhaltsame Heldenreisen entstehen, das ist die Faszination. Wir können hier also gewissermaßen den Erzählungen beim Erzählen zuschauen.

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Zusammenbleiben? Oder für immer erinnern?

Ein Beitrag von Hans Block und Moritz Riesewieck für die Passion #8, dem Kundenmagazin von BerlinDruck

Es ist eine der ältesten Fragen der Menschheit: Was geschieht mit uns nach dem Tod? Jahrhundertelang war die Antwort auf diese Frage für die meisten Menschen im Abendland klar. Die Seelen fahren zu Gott in den Himmel auf oder schmoren in der Hölle. Doch wie aktuelle Studien zeigen, glauben immer weniger Menschen in Westeuropa an Gott und das ewige Leben im Jenseits, nur noch eine Minderheit betrach-tet sich selbst als religiös. Andererseits glaubt nur ein kleiner Teil der Bevölkerung: „Es gibt KEIN Leben nach dem Tod.”

Illustration: Julia Ochsenhirt

Offenbar können nur wenige Menschen ohne Aussicht auf ein Weiterleben der Seele nach dem Tod auskommen. Noch fehlt eine neue (weltliche) Heilserzählung. Noch ist es nicht gelungen, den Sinn-Verlust auszugleichen, der für Milliarden von Menschen mit der Abwendung von der Religion entstanden ist. Es klafft eine gewaltige Lücke, was auch den Technologie-Unternehmen nicht entgangen ist, die die Leerstelle als Chance für die nächste große Geschäftsidee begrei-fen. In Aussicht stehen Milliarden potenzieller Kund*innen, die offen sind für eine neue zeitgemäße Botschaft, die sie von der Unausweichlichkeit des Todes erlöst. Im Windschatten der digitalen Revolution treten Start-ups aus der ganzen Welt in einen Wettlauf um einen gewaltigen Markt – den Markt der digitalen Unsterblichkeit.

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Gruß aus der Küche

„Wir ‚numerisieren‘ unser gesamtes Leben. Das ist wirklich ein echter Transformationsprozess.“

Wir haben uns mit Ranga Yogeshwar im Futurium in Berlin getroffen, um mit ihm über Künstliche Intelligenz zu sprechen. Was hat KI für Auswirkungen auf die Gesellschaft, auf uns Marketer und die Medienlandschaft?

Ranga Yogeshwar im Gespräch mit Eckard Christiani

Herr Yogeshwar, Künstliche Intelligenz beeinflusst spätestens seit Einführung der ersten Smartphones unser Leben gravierend. Welche Veränderungen kommen auf uns zu?

Wenn wir uns vorstellen, wir würden in ein Restaurant gehen, erleben wir gerade den Gruß aus der Küche. Das, was wir sehen, ist noch nicht die Vorspeise, geschweige denn der Hauptgang. Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz ist gepaart mit der Tatsache, dass wir unsere Welt immer mehr in Zahlen abbilden, egal was wir tun. Wir messen nicht nur unseren Blutdruck, die Wegstrecken, die wir zurücklegen, zählen nicht nur die Treppenstufen, die wir täglich steigen. Wir „numerisieren“ unser gesamtes Leben. Das ist wirklich ein echter Transformationsprozess. Aus der Realität, die wir beide jetzt gerade sehen, in eine abstrakte Zahlenwelt. Die spannende Frage ist, ob die Rückführung aus der abstrakten Zahlenwelt in die Realität tatsächlich klappt. Innerhalb der abstrakten Welt funktioniert es ganz gut. Das wissen wir alle: KI gewinnt heute Schach oder Go gegen jeden Menschen. Das sind abstrakte Welten. Wenn ich aber den modernsten KI-Roboter nehme und ich ihn bitte, den Esstisch abzuräumen, dann wird er scheitern. Weil KI zuerst einmal ein Konstrukt in einer idealisierten Welt ist, die aber weit weg von dem ist, was in der Realität abläuft.

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