Frank, du bist mit Laurich & Kollegen seit vielen Jahren in der Unternehmenskommunikation tätig – Kommunikationsstrategie und Kundenbindung sind zwei deiner Kernkompetenzen. Wie kommt jemand wie Du, der sich zweifellos mit komplexen harten Realitäten auseinandersetzt, zur Virtual Reality (VR)?

Gute Frage (lacht)! Gute Kommunikation ist für mich, wenn Strategie auf Opportunitäten  trifft und man diese konsequent nutzt: wir haben einen klare Idee davon, was wir unseren Kunden, Mitarbeitern oder Geschäftspartnern vermitteln wollen und versuchen, über den Zeitablauf einen optimalen Mix an Aktivitäten zu organisieren. Und dieser Mix ist heute sehr viel weiter gespannt als noch vor einigen Jahren. Von Social Media mit einem hohen Grad an Interaktivitätsmöglichkeiten, aber auch an Flüchtigkeit, bis eben hin zur konzentrierten Beschäftigung mit einem Thema, wie in VR. 

Dr. Frank Laurich / Laurich & Kollegen

Generell leben wir in einer Zeit der großen Flüchtigkeit. Die Aufmerksamkeitsspanne der Beschäftigung mit einem Thema scheint ja gegen null zu gehen. Wenn wir daher das Gegenteil wollen, nämlich die intensive und eventuell auch interaktive Auseinandersetzung mit einer Thematik, dann können wir mittels VR Erlebnisräume schaffen, die genau dies ermöglichen.

Wir Kommunikationsleute müssen immer bereit sein, neue Entwicklungen zu erkennen und zu bewerten. Zu unseren Kernaufgaben gehört es, optimal dahingehend zu beraten, welche Instrumente man wann wie nutzen sollte.

In welchen Bereichen lässt sich VR heute schon sinnvollerweise einsetzen?

Ich habe das große Glück, mit Leuten zusammen zu arbeiten, die wirklich führend in diesem Fach sind. Wir haben daher kurioserweise noch keine Situation gehabt, wo eine Projektidee technisch nicht umsetzbar gewesen wäre. Die scheinbar naheliegende Frage „Was geht denn?“ ist daher fast obsolet. Entscheidender ist, was ein gutes Einstiegsprojekt ist, bei dem der Kunde zügig den Nutzen verspürt und welches zudem über die Zeit wachsen kann. Denn das Fortschreiben von Erlebnisräumen ist elementarer Bestandteil der Nutzung des spielerischen Elementes von VR-Anwendungen. Unabhängig von Branchen haben sich mehrere inhaltliche Schwerpunkte ergeben:

Planen: Wir schaffen Raumsituationen, in denen Planer und Nutzer vorab gemeinsam Eckpunkte abstimmen können. Denken Sie an Hotelzimmer, Küchen, Labore oder Werkplätze. Die können dann auch vertrieblich optimal eingesetzt werden.

Und dann Marketing und Vertrieb: Marken werden plötzlich in einem ganz anderen Umfeld dargestellt. Zeitreisen werden möglich. Eben die klassische Verwendung von künstlich geschaffenen Umfeldern als Bühne für ein Produkt. Oder touristische Destinationen als Erlebnisräume.

Oder Schulung und Training: Die Nutzerin, der Nutzer bewegt sich in einer Arbeitsumgebung und muss dort Aufgaben präzise und ggf. unter Druck lösen. In der Mechanik, Medizin oder beim „Einparken“ eines Containerschiffes. All dies ist fantastisch, wenn Handgriffe schlicht „sitzen müssen“ und daher wieder und wieder und auch unter Störeinflüssen erprobt werden sollen.

Schulungen und Training? Hast du da ein konkretes Beispiel?

Nehmen wir eine Schulung zur Arbeitssicherheit. Wir haben für die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege einen komplett virtuellen Krankenhaustrakt gebaut. Dort können Pflegekräfte unfallfrei Arbeitsabläufe trainieren. Sie setzen sich die Brille auf, loggen sich ein und bewegen sich an ihrem Arbeitsplatz. Dann bekommen sie den Zuruf, dass sie am Patienten gebraucht werden. Dabei müssen sie die gängigen Standards absolvieren. Hände sterilisieren, Handschuhe anziehen. Wir simulieren realistische Anforderungen, bauen auch Stressfaktoren ein. Eine sehr realitätsnahe Übung, die weiter wachsen wird. Insbesondere der Umgang mit einem vermeintlichen Brand ist auch in anderen Industriezweigen auf großes Interesse gestossen.

Blick in Teilbereiche des „Sicheren Krankenhauses“, einem Schulungstool der Berufsgenossenschaft BGW zum Thema Arbeitssicherheit für angehende Pflegerinnen und Pfleger.

Oder das virtuelle Erleben von Energieeffizienz durch die Begehung eines Blockheizkraftwerkes. 

Super gern würden wir z.B. eine Experience zur Verwendung bei der Wiederbelebung erarbeiten. Im Ernstfall muss hier jemand in unübersichtlicher Gemengelage Verantwortung übernehmen, um Leben zu retten. Dies kann und muss man üben.

Involvement ist das Zauberwort. Ist VR dann auch ein probates Mittel für Unternehmen und Institutionen, um eine Bindung zu neuen Themen herzustellen?

Unbedingt! Das kontinuierliche Erweitern der Erlebnisräume ist ja gerade elementarer Bestandteil. Man bleibt „dran“ an einem Thema. Spannende Frage ist auch, wie intensiv man „Gamification“ einbaut, also das spielerische Element. Dies gilt es bei jedem Projekt gut abzuwägen.

Wir sind jetzt gerade einen weiteren Weg gegangen, über ein Drehbuch selbst eine Konzeptidee zu schreiben. Ziel ist die intensive Beschäftigung mit dem Klimawandel. Eine Zeitreise zurück von der großen Flut in Hamburg bis hin zu den Auswirkungen, die klimatische Veränderungen auf die Umwelt haben. Hierfür sind wir gerade in Gesprächen zur optimalen Umsetzung. 

Wie gliedert ihr eure VR-Maßnahmen in die Unternehmenskommunikation ein? 

Ich bin ja nun nicht bekannt dafür, jede Woche einen neuen Paradigmenwechsel auszurufen. Wir haben hier einen fantastischen neuen Werkzeugkasten, um intensive Erlebnisräume zu schaffen – erst einmal nicht mehr und nicht weniger. Darüber hinaus bietet VR einem Unternehmen die Möglichkeit, den Workflow der Projektarbeit einmal völlig digital zu denken. 

Die Herausforderung liegt jedoch darin, kluge Einstiegsanwendungen zu formulieren. Was braucht man? Was will das Unternehmen mit der Anwendung erreichen? Die Möglichkeiten des Machbaren sind unendlich, die Faszination riesig. Aber sich auf ein sinnvolles Konzept zu fokussieren ist nicht banal. Es ist dann klassische Berateraufgabe, die Spreu vom Weizen zu trennen.

In diesem Sinne bieten wir auch zwei Dienstleistungen an, die Beratung, die richtigen Projekte zu identifizieren, zu definieren und ggf. auch bei einer Ausschreibung zu helfen. Und andererseits die eigentliche Produktion, d. h. die Konzepte dann wirklich zeitlich und budgetär optimal umzusetzen – vom Storyboard bis zur Hardware, wenn nötig.

Aber ganz klar – digital ist nicht alles! Nicht umsonst bewegen wir uns mit diesem Gespräch ja in einem hochwertig gemachten Printumfeld. Auch dies ein guter Weg, Bindung herzustellen.

Welchen Stellenwert wird VR in der Kommunikation über kurz oder lang bekommen?

Die meisten Menschen haben schon einmal davon gehört oder darüber gelesen. Die wenigsten haben allerdings konkrete Vorstellungen oder Umsetzungserfahrung mit dieser Technologie. Dabei ist klar, dass das VR derzeit auch ein Erlebnis an sich ist. Der Weg ist ein Teil des Ziels. Aber so funktioniert Kommunikation. In zwei Jahren ist Virtuelle Realität gelernt und begeistert – zumindest technisch – niemanden mehr. Dann werden die Inhalte noch mehr in den Fokus rücken. 

Wir glauben an VR weil es in einem spitzen Segment Erlebnisräume für die intensive Beschäftigung mit einem Thema schafft. Hier gilt es, Anwendungen zu entwickeln, die kluge und faszinierende Kommunikationslösungen sind. VR als Medium ist jetzt reif und bietet der Unternehmenskommunikation fantastische Einsatzmöglichkeiten

Frank, vielen Dank für das Gespräch!