Cradle to Cradle (C2C) bedeutet sinngemäß „vom Ursprung zum Ursprung“. Es gilt als Ansatz für eine konsequente Kreislaufwirtschaft mit dem Ziel, den Idealfall des Recyclings zu erreichen: Alle eingesetzten Rohstoffe bzw. Bauteile sollen am Ende des Lebenszyklus eines Produkts wieder vollständig und gleichwertig in den Produktionsprozess oder Biokreislauf zurückgeführt werden können.
Entwickelt wurde dieser philosophische Ansatz Ende der 1990er- Jahre von dem deutschen Chemiker Michael Braungart und dem US-amerikanischen Architekten William McDonough. Cradle-to-Cradle-Produkte sollen demnach entweder als biologische Nährstoffe in biologische Kreisläufe zurückgeführt oder als technische Nährstoffe kontinuierlich in technischen Kreisläufen gehalten werden. Eine C2C-Zertifizierung (Cradle-to-cradle-certified-Produktstandard) wird seit 2010 vom Non-Profit-Institut Cradle to Cradle Products Innovation Institute mit Sitz in San Francisco (USA) verliehen.
Bewertet werden dabei fünf Kriterien: Materialgesundheit, Kreislauffähigkeit, Einsatz erneuerbarer Energien, verantwortungsvoller Umgang mit der Ressource Wasser sowie soziale Gerechtigkeit. Innerhalb dieser Kriterien werden fünf Zertifizierungsgrade vergeben: Basic, Bronze, Silber, Gold und Platin. Die vergebenen Siegel müssen alle zwei Jahre erneuert werden.
Seit einiger Zeit hat diese Philosophie der Kreislaufwirtschaft auch die Druckbranche erreicht. Es kursieren verheißungsvolle Vorstellungen, man könne auch Druckprodukte nach dem Gebrauch bequem kompostieren und somit nicht nur einen technischen, sondern darüber hinaus auch einen biologischen Kreislauf schließen.
Die Internationale Forschungsgemeinschaft Deinking-Technik e. V., INGEDE, wurde 1989 von führenden europäischen Papierherstellern als Interessenvertretung für Unternehmen der Papierindustrie gegründet, die Altpapier zur Herstellung neuer grafischer Papiere einsetzen. Wir sprachen mit Axel Fischer, seines Zeichens PR-Verantwortlicher des Vereins, über Cradle to Cradle und Greenwashing.
Herr Fischer, was halten Sie von Cradle to Cradle im Printbereich?
Das Konzept mag ein guter Ansatz für Modeartikel, Fernseher oder Fahrräder sein – hier können die Artikel entweder technisch oder biologisch (im Falle der Mode) in den Kreislauf zurückgeführt werden.
Bei Papier und Druck ist das anders. Schlimmstes Beispiel ist für mich die C2C-Zertifizierung von Steinfolie. Das ist eine Mischung aus Gesteinsmehl und Plastik, für die die Bezeichnung Steinpapier gar nicht zutrifft, weil es nicht eine einzige Faser enthält. Das ist nicht einmal mit Bauschutt zu entsorgen, das kann man nur noch verbrennen, daran ist gar nichts nachhaltig.
Ist C2C also Unsinn bei Druckerzeugnissen?
Als zusätzliche Eigenschaft mag C2C noch okay sein, wenn ein Produkt ansonsten einem richtigen Umweltzeichen wie dem Blauen Engel oder dem EU-Ecolabel entspricht. Aber C2C darf kein Alibi für fehlende Rezyklierbarkeit sein, was es derzeit wird. Denn welche Druckerei vergräbt ihre Makulatur hinter dem Haus? Wer kompostiert seine alten Bücher?
Bleiben wir beim Beispiel der Druckerzeugnisse. Der Papierkreislauf braucht ein gesundes Nebeneinander von neuem und recyceltem Papier. Wie steht es damit?
In Europa wurden im vergangenen Jahr 72 Prozent des Papiers recycelt. Diese sogenannte Recyclingquote bezieht sich auf den gesamten Papier-, Pappe- und Kartonverbrauch. In Deutschland sind das sogar 78 Prozent. Dafür muss sich ein Druckprodukt qualifizieren: Es muss optimal recycelbar sein, nicht kompostierbar oder essbar.
Was bedeutet Rezyklierbarkeit bei Papier genau?
Wir müssen dafür sorgen, dass Druckprodukte auch rezyklierbar bleiben, dass man daraus wieder weißes Papier machen kann. Das gewährleistet das C2C-Prinzip nicht. Druckfarben sollten deinkbar sein, sich also beim Recycling von den Fasern ablösen und aus der Fasersuppe entfernen lassen. Und das sind viele Cradle-to-Cradle-zertifizierte Druckfarben gerade nicht. Das Gegenteil ist der Fall: Bisher wurden eine Reihe von Druckfarben, die nicht deinkbar sind und sich deshalb nicht für Druckprodukte mit einem Blauen Engel eignen, für Cradle to Cradle angemeldet, um wenigstens irgendein Umweltzeichen zu haben. Das ganze Verfahren ist intransparent und teuer, viel teurer als ein richtiges, also ISO-konformes Umweltzeichen. Im Gegensatz zum Blauen Engel gibt es bei C2C keine öffentliche Diskussion der Kriterien – es ist ein privates, kommerzielles Zeichen, ein Geschäftsmodell. Um nicht zu sagen Greenwashing. Leider springen aktuell einige Marktteilnehmer teils aus Unkenntnis, teils aus Verzweiflung auf diesen Zug auf.
Herr Fischer, vielen Dank für diese erhellenden Ausführungen.
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