Journalistin, Autorin und Social Media-Expertin Amelie Marie Weber: Eine Generation allein wird unsere Erde nicht retten können.
Amelie, was tust du?
Ich bin Politikjournalistin mit einem Schwerpunkt auf Social Media. Das heißt ich präsentiere politische und gesellschaftliche Themen – hauptsächlich in den sozialen Medien.
Wie war deine Laufbahn in der Funke-Zentralredaktion?
Ich habe vorher im Politikressort eines Magazins volontiert – also ganz klassisch Print. Danach bin ich als Online-Redakteurin zur FUNKE-Zentralredaktion gewechselt. Dort wurde ich dann eher zufällig gefragt, ob ich vielleicht die Social Media übernehmen möchte, da ich eine so junge Journalistin bin und gut mit jungen Leuten interagieren könne. Also habe ich diese Aufgabe etwa ein Jahr vor der letzten Bundestagswahl übernommen und einen TikTok-Kanal gegründet. Der Fokus lag darauf, Erstwählerinnen und Erstwählern Politik zu erklären. Und das kam ganz gut an. Die Videos erreichten bis zu 3 Millionen Menschen.
Früher hätte ich nie gedacht, dass meine private Freude an Social Media einmal meine Nische im Journalismus werden würde. Mit dreizehn wusste ich, dass ich Journalistin werden wollte, aber ich wusste nicht genau, über welche Themen ich schreiben wollte. Es wurde dann irgendwie zufällig Politik und dann auch zufällig Social Media. Jetzt bin ich sehr glücklich, dass ich meine Berufung gefunden habe, weil es mich wirklich interessiert und ich denke, dass es zu mir passt.
Und jetzt, seit 1. März, bei der tagesschau. Was erwartet dich? Oder anders: Was erwartet man von dir?
Ich bin auch bei der tagesschau im Social Media-Team beheimatet und darf dort mit ganz großartigen Kolleginnen und Kollegen an den bestehenden Formaten arbeiten. Dazu gehört unter anderem die Moderation von Clips bei TikTok und Instagram. Außerdem werden wir gemeinsam neue Formate entwickeln.
Warum hast du letztes Jahr deine Zeit für das Schreiben eines Buches investiert? Was hat dich motiviert?
Die kleine Amelie wollte nicht nur Journalistin, sondern auch Autorin werden, und ich wollte ihr diesen Wunsch erfüllen. Das TikTok-Format – ein Kurzvideo also –, ist nicht für alles die Lösung. Es kann ein Anfang sein, um sich mit Themen zu beschäftigen und Interesse zu wecken, aber am Ende braucht es auch immer noch etwas Tiefergehendes. Dafür eignet sich Print, also ein Buch sehr gut.
Stimmt, aus der Wahrnehmungspsychologie wissen wir, dass Informationen, die auf gedrucktem Papier gelesen werden, schneller und intensiver verstanden werden als über das Durchwischen auf einem Handy-Bildschirm.
Ich lese sehr gerne und bin zum Beispiel kein Podcast-Fan, obwohl das Format in den letzten Jahren sehr beliebt geworden ist. Ich merke einfach, dass ich gedruckte Informationen viel besser behalte. Und es scheint nicht nur mir so zu gehen: viele junge Menschen lesen. Sogar einige Influencer:innen haben kürzlich Bücher veröffentlicht.
Du berührst in deinem Buch vielfältige Themen wie den Klimawandel, die Corona-Pandemie, Kriege, Internetsucht, Gesundheit, Diskriminierung und Arbeit. Du sprichst davon, dass wir eine positivere Form des Erzählens benötigen, denn oft verharren wir im Negativen. In einem Passion-Gespräch mit Prof. Maren Urner haben wir über positiven Journalismus diskutiert. Was denkst du, was können Medienvertretende dazu beitragen, positives Erzählen zu fördern?
In diesen Zeiten ist es mitunter schwierig, die Hoffnung zu finden. Aber genau das wollte ich mit meinem Buch erreichen. Ich habe recherchiert, viel Literatur und Forschungsberichte durchgearbeitet, viele Artikel gelesen. In den meisten dieser Beiträge wird aufgelistet, was alles falsch läuft. Das ist wichtig. Ich möchte auch nichts verschweigen oder schönreden. Aber entscheidend ist doch: Wie kann es besser werden? Diese Frage wird in vielen Texten nicht beantwortet. Es ist eben einfacher zu sagen, was falsch läuft, als Lösungen aufzuzeigen. Ich glaube, wir Medienvertreter:innen müssen uns alle mehr anstrengen, mögliche Lösungen aufzuzeigen.
Aber natürlich liegt es nicht nur an der Arbeit der Journalist:innen, sondern auch daran, dass sich Menschen – wie wir aus der Neurowissenschaft wissen – noch nicht ausreichend für diesen konstruktiven Journalismus interessieren. Es ist evolutionär bedingt, dass wir schlechten Nachrichten mehr Aufmerksamkeit schenken.
Dieses Paradox erlebe ich immer wieder: Viele sagen, Nachrichten seien zu negativ und alarmierend. Wenn aber etwas Positives berichtet wird, interessiert es kaum jemanden. Damit müssen wir umzugehen lernen. Ich habe nicht die Antwort auf das Wie, aber ich habe es mit dem Buch zumindest versucht.
Wie wäre es, die Angst vor Veränderung in eine Lust auf Veränderung zu verwandeln?
Genau das brauchen wir! Gerade beim Thema Klimawandel ist es besonders wichtig, nicht nur darüber zu sprechen, welche Kipppunkte wir überschreiten und was wir opfern müssen, sondern auch darüber, was wir gewinnen können und wie eine bessere Zukunft aussehen kann. Das bleibt jedoch eine Herausforderung, da seit Jahrzehnten hauptsächlich über Verzicht und Rücksichtnahme gesprochen wird.
Du hast für dein Buch mit etlichen Menschen gesprochen. Mit Louisa Dellert beispielsweise, mit Valeria Shashenok, Nadine Breaty, Fabian Grischkat und vielen anderen mehr. Wer oder was hat dich in den Gesprächen überrascht? Und welches war dein bewegendstes Gespräch?
Ich habe alle Interviews wirklich genossen und bin sehr dankbar, dass ich sie geführt habe. Sie waren für mich persönlich sehr bereichernd und haben meinem Buch viele zusätzliche Perspektiven gegeben, die vielleicht noch nicht gehört wurden. Besonders bewegend war das Gespräch mit Valeria, einer Ukrainerin, die vor dem Krieg geflohen ist und deren Leben buchstäblich in Trümmern lag. Sie baut sich nun als junge Frau mit Anfang 20 ein neues Leben auf und findet trotz allem Hoffnung. Ich halte solche Eindrücke für wichtig, um selbst zu erkennen, dass es uns hier immer noch ziemlich gut geht. Das Gespräch hat mich wirklich berührt und bewegt.
Die Generationen schieben sich nicht nur in der Klimafrage gern gegenseitig den Schwarzen Peter zu. Die Jungen behaupten, die Älteren hätten alles verbockt, während die Älteren sagen, die Jüngeren hängen nur in ihrer sozialen Hängematte oder klebten sich auf der Straße fest. Solche Ansichten sind absurd! Als Vertreter der älteren Generation kann ich klar erkennen, dass in meiner Generation viele genauso engagiert sind und ihr Bestes geben. Sie sind nur einfach nicht so öffentlich präsent und agieren eher leise. Und in der jungen Generation gibt es viele, die alles einfach laufen lassen.
Ganz genau!
Ist nicht der Königsweg der, nicht immer mit Fingern auf die Anderen zu zeigen, sondern eher wahrhaftig zusammen das zu entwickeln, was wir brauchen, um unsere Probleme in den Griff zu bekommen? Von den jeweils anderen zu lernen?
Ja. Mein Buch ist hoffentlich ein kleiner Beitrag zur Lösung, denn es richtet sich an junge Menschen, die reflektieren möchten, wie sie mit den vielen Krisen umgehen können und dass sie mit diesen Gedanken nicht allein sind. Gleichzeitig habe ich es auch für die Älteren geschrieben, die die jüngere Generation verstehen möchten. Mir ist es besonders wichtig, Verständnis füreinander zu fördern. Die ältere Generation hat ihre eigenen Erfahrungen schon gemacht, bevor der Fokus so stark auf Zukunftsfragen lag.
Es ist entscheidend, dass wir uns verstehen wollen; denn ich habe oft das Gefühl, dass Missverständnisse fast schon gewollt sind. Eine Generation allein wird unsere Erde nicht retten können. Wir müssen gemeinsam handeln. Und das ist eigentlich nicht so schwer, denn der vielfach beschworene Generationenkonflikt wird durch Studien teilweise widerlegt. Wir alle verfolgen ähnliche Ziele und Visionen für die Zukunft, auch wenn wir unterschiedliche Herangehensweisen nutzen. Es ist wichtig, dass wir uns vereinen und gemeinsam handeln. Die Grundlage dafür ist meiner Meinung nach Verständnis füreinander. Dafür ist es entscheidend, in den Dialog zu treten – und vielleicht auch mein Buch zu lesen.
Das Gespräch erschien in der 14. Ausgabe der Passion, dem Magazin von BerlinDruck.
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