Wir sprachen mit Christian Lieb, einem der Chefs der Druckerei Gutenberg Beuys in Langenhagen bei Hannover, über Nachhaltigkeit im laufenden Geschäft.
Christian, ist für eure Kund*innen Nachhaltigkeit ein wichtiges Thema?
Auf alle Fälle! Es fällt auf, je größer ein Unternehmen ist, desto wichtiger wird es auch genommen. Wir haben gerade für die Landeshauptstadt Hannover den sechsbändigen Nachhaltigkeitsbericht produziert – gedruckt auf Recyclingpapier aus 100 % Altpapier, zertifiziert mit dem Blauen Engel.
Seid ihr eine Umweltdruckerei? Oder anders gefragt: Wie wichtig ist euch als Druckerei das Thema Nachhaltigkeit?
Wir sind tatsächlich so etwas wie eine Umweltdruckerei, auch wenn das im Namen Gutenberg Beuys nicht erscheint. Seit Gründung nutzen wir zum Beispiel ausschließlich Ökostrom, und wir haben unsere Entsorgung perfektioniert. Dass das auch marketingtechnisch relevant ist, haben wir erst von zwei oder drei Jahren entdeckt. (lacht) Vorher war es für uns tatsächlich selbstverständlich, so zu arbeiten. Tue Gutes und rede darüber. Das tun wir jetzt.
Der vegane Lebensstil ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Immer mehr Menschen entscheiden sich bewusst, auf tierische Produkte zu verzichten. Dabei denken die meisten zunächst an Lebensmittel. Doch in vielen weiteren Alltagsprodukten verstecken sich, oft unbemerkt, tierische Inhaltsstoffe.
Auch in vielen Standard-Drucksachen. Bindemittel und Additive aus tierischen Fetten in Druckfarben. Oder zum Beispiel Oberflächenveredelung von gestrichenen Papiersorten mit Gelatine – aus Tierhäuten und Knochen. Ist das ein Thema für euch?
Druckfarben sind grundsätzlich vegan, da keine tierischen Bestandsstoffe genutzt werden. Natürlich können wir nicht davon ausgehen, dass bei der Rapsernte keine Feldmäuse oder Hamster umgekommen sind. (lacht) Die Farben, die wir nutzen, enthalten kein Erd- und kein Plamölöl, die Farbpigmente jedoch Mineralöl. Wenn produziert wird, kann darauf geachtet werden, möglichst umweltverträglich zu arbeiten. Wir möchten den Blauen Engel tragen und sind dabei, uns entsprechend zertifizieren zu lassen. Das dokumentiert das schon unser Bestreben.
Eine Druckveredelung ist nachhaltig, da Sie mehr Aufmerksamkeit und dadurch mehr Wirkung des Druckprodukts erzielt. Eine Blindprägung oder eine individuelle Stanzung ist umweltfreundlich, da lediglich das Papier geprägt oder gestanzt wird und keine zusätzlichen Materialien wie Folien oder Lacke auf die Papieroberfläche aufgetragen werden. Die notwendigen Werkzeuge – die Stanzform oder der Prägestempel – können wiederverwendet werden. Druckveredelungen wie Lasercut oder Gravuren sind ebenfalls sehr umweltfreundlich. Gibt es im Bereich Folien auch schon umweltfreundlichere Lösungen?
Ja, es gibt zum Beispiel kompostierbare Folien aus Zuckerrohr, die biologisch abbaubar sind. Ein Beispiel für nachhaltige Konzeption sehen wir auch beim Nachhaltigkeitsbericht von Beos, den wir neulich produziert haben. Hier wurde bewusst auf eine Kaschierung verzichtet. Die Veredelung besteht hier aus den von dir schon erwähnten Blindprägungen. Das typografische Spiel aus weißer und blindgeprägter Schrift schafft hier die nötige Aufmerksamkeit: Man liest beim schnellen Blick nur das Wort Verantwortung. Produziert wurde klimaneutral auf FSC-zertifiziertem Papier.
Wenn ein Konzern heute einen solchen Bericht herausgibt, achtet er penibel auf die Erfüllung der notwendigen Voraussetzungen. Der Kunde kann sich bei uns immer darauf verlassen, dass wir mit seinem Auftrag entsprechend umgehen. Bei uns ist das kein Lippenbekenntnis. Und weil wir so arbeiten, bekommen wir auch den einen oder anderen Auftrag. Es sind in den letzten Jahren zwei Trends bemerkbar.
Der eine Trend arbeitet nicht nur mit haptischen Erlebnissen, sondern mit besonderen Konfektionierungen. Sehen wir uns aktuelle Geschäftsberichte an, so werden oftmals der reine Zahlenteil vom Imageteil abgekoppelt. Der Imageteil ist dann ein eigenständiges Magazin mit spannenden Reportagen. Solche Ideen helfen bei der Umsetzung von nachhaltigen Grundgedanken.
Der zweite Trend kommt uns als Druckerei nicht zugute: Viele Unternehmen sind dazu übergegangen, Ihre Geschäftsberichte nur noch digital zur Verfügung zu stellen.
Ein klares Bekenntnis zur Nachhaltigkeit! Print hat aber auch Stärken, die digitale Lösungen nicht bieten.
Richtig. Wir drucken zum Beispiel sehr viele Publikationen für Museen oder Bildbände zu geschichtlichen Themen. Das sind bibliophile Dinge, die von Dauer sind. Nach dem Ausstellungsbesuch kauft man sich gern den dazugehörigen Katalog für 29,80 €. Eine App zum selben Thema würde man niemals zum selben Preis downloaden. Du willst etwas, was du in den Händen halten kannst.
Ob ein Druckprodukt bestmöglich umweltfreundlich gefertigt wird, entscheidet sich meist schon in der Kreationsphase. Nutzen eure Kunden euer Wissen, eine umweltverantwortliche Ausgestaltung Ihres Auftrags zu realisieren?
Teilweise ja. Bei dem eben besprochenen Projekt Beos Report 2020 gab es eine enge Abstimmung zwischen den Kunden und uns. Was ist machbar, was nicht? Gerade Werbeagenturen oder Designstudios haben manchmal Ideen, die im ersten Moment besonders aufregend sind, sich aber kaum umsetzen lassen. Gemeinsam mit den Kreativen können wir aber Lösungen entwickeln, die über die Papierwahl allein hinausgehen. Es ist immer sinnvoll, unsere Beratungsleistung möglichst frühzeitig zu nutzen – und zwar noch bevor der Kunde die Entwürfe präsentiert bekommen hat.
Beim Thema Nachhaltigkeit hast du oft auch noch die Budgetfrage zu klären. Nachhaltig heißt nicht immer günstig. Auch das ist im Vorfeld zu klären. Der Trend geht aber in die richtige Richtung. – Wir haben beispielsweise das Bid-Book gedruckt, eine Bewerbung der Stadt Hannover zur Kulturhauptstadt 2025. Eine mehrdimensionale Lösung in Auflage dreißig. Leider hat Hannover nicht den Zuschlag erhalten, wie wir wissen. An der Bewerbung hat es sicherlich nicht gelegen!
Gibt es etwas, was du deinen Kunden niemals empfehlen würdest?
Ja, LE-UV-Offsetdruck. Diese Technik sollte den herkömmlichen Offsetdruck ablösen. In den 1990er-Jahren hieß es noch: „Kennst du einen UV-Drucker, der älter als 40 Jahre ist?“ Gut, die Farben sind in ihrer Zusammensetzung im Laufe der Zeit immer besser geworden. Es ist aber immer noch so, dass du mit Handschuhen an der Maschine stehen musst und jede Berührung mit den Chemikalien vermeiden solltest. Bis der Druck trocken ist, ist er hochgiftig. Ist die Drucksache getrocknet, ist sie immer noch schlimm – dann für die Umwelt.
Der Trend ging eine ganze Weile in Richtung LE-UV-Offsetdruck. Eine vollkommen unnötige, umweltschädliche Produktionsweise in unserer Branche. Man sagte, es gäbe ein größeres Farbspektrum, eine höhere Brillanz. Man wollte punkten mit schnellerer Weiterverarbeitung durch die direkte Aushärtung der Druckfarben. Doch für wen ist das wirklich interessant? UV-Farben werden überdies aus erdölbasierten Rohstoffen hergestellt und können meist nicht recycelt werden. Die Mikroplastikdiskussion ist ja inzwischen auch in aller Munde. Und dass Plastik eines der größten Probleme in der Umwelt darstellt, wissen wir nicht erst, seit auch die Politik auf das Thema aufmerksam geworden ist und Strohhalme verbietet. Das belastet am Ende die Ozeane mit ihren Lebewesen – und am Ende auch uns. Umweltfreundlich ist was anderes!
Christian, vielen Dank für dieses aufschlussreiche Gespräch.
Der ganze Beitrag ist zu lesen in wie wir uns morgen unterhalten lassen und informieren wollen
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