Ein Gespräch über Medien mit Oliver Kalkofe
Welcher Plan steckte hinter deiner Karriere, die beim Frühstyxradio begann, Oliver?
Da war nichts geplant. Ich glaube, wie bei vielen Dingen, an die Macht des Schicksals oder wie man das auch immer nennt. Es gibt Momente, die – wenn man sich darauf einlässt – für einen gemacht scheinen. Vieles, was ich in meinem Leben erlebt habe, macht sonst keinen Sinn.
Das Frühstyxradio kam tatsächlich ungeplant und war auch während der Zeit, als wir da waren, eigentlich weiterhin ohne Plan.
Wie bist du denn zum Radio gekommen?
Das Frühstyxradio gab es seit einem knappen halben Jahr. Ich hörte die Sendungen mit Begeisterung: Brungs und Brochterbeck und so. Das fand ich toll, da wollte ich hin. Aber ich dachte, das wird mir nie gelingen.
Da ich was mit Medien machen wollte, habe ich mich trotzdem beworben und als Praktikant beim Radio ffn angefangen. Dietmar Wischmeyer hat sich um mich gekümmert und ließ mich etwas für die Sendung schreiben. Nach sechs oder acht Wochen war ich dann fest im Team. Es folgten Live-Auftritte und meine ersten CDs. Dabei hatte ich zu der Zeit eigentlich noch studiert. Das hatte ich mir ganz anders vorgestellt.
Noch einmal zu deiner Frage, Eck: Es war nichts geplant, nicht einmal von der einen Woche zur nächsten. Und damit waren wir sehr erfolgreich. Nicht messbar allerdings, denn es gab noch kein Facebook oder andere Social Media. Aber wenn wir in Hannover unterwegs waren, fielen so Sachen wie „Tun getan“, es wurde Ballerbrühe bestellt oder die Nase hochgezogen. Was wir bewirkt haben, war uns zu der Zeit nicht bekannt. Das ist uns erst viel später bewusst geworden. Erst im Nachhinein kamen die Leute und erzählten: „Wir haben das immer gehört und alles auf Kassetten aufgezeichnet.“ Radio war zu der Zeit ja nicht über Internet empfangbar, sondern tatsächlich regional, sodass sich die Leute auf Parkplätzen und an Raststätten in Gruppen verabredeten und ihre Autos zusammengestellt, das Autoradio angemacht und Frühstyxradio gehört haben. Wir haben – ohne es zu wissen – einen Großteil der norddeutschen Generation kulturell mitgeprägt, und das war uns überhaupt nicht bewusst.
Ein „Geheimrezept“, um so etwas zu schaffen, könnte also sein, nicht auf die Quote zu gucken, nicht auf gefällt oder gefällt nicht zu achten, sondern einfach zu tun, was einem selbst Spaß bringt!?
Ich glaube, das ist letztlich das Grundgeheimnis für jeden Erfolg: Nicht darauf zu gucken, was der mögliche Erfolg sein könnte. So ist noch nie etwas neues originäres Cooles entstanden. Das entsteht nur aus einem Trieb heraus, etwas machen, mitteilen oder tun zu wollen, weil man es gut findet. Man sollte etwas machen, was man auch selber mag und woran man glaubt.
Das ist etwas, das in der heutigen Medienwelt überhaupt nicht selbstverständlich ist. Im Gegenteil! Da setzt man sich hin und sagt: „Wir wollen einen Erfolg!“ Da wird rein rechnerisch ermittelt, was das letzte Mal erfolgreich war und auch das nächste Mal erfolgreich sein wird. Sicherheitshalber kopiert man sich lieber, als etwas wirklich Neues zu erschaffen. So wird man nie eine neue Hörer-, Leser- oder Konsumentenschaft finden. Denn was man dabei übersieht, ist, dass jeder wirklich große Erfolg mit Überraschung zu tun hat. In zweiter Konsequenz heißt das aber auch, dass man scheitern kann. Scheitern gehört zum kreativen Prozess dazu.
Ab 1994 gab es dann Kalkofes Mattscheibe, damals bei Premiere – dem Vorläufer von Sky. Konntest du dich da auch nach Lust und Laune ausprobieren oder gab es eine Redaktion?
Es ist immer gut, bei einem Sender dabei zu sein, der noch relativ jung ist und wo man noch vorhat, das Publikum wirklich zu unterhalten. Die meisten Sender denken so nicht mehr, sie sind konzerngesteuert. Es geht um Quote und ums Geschäft.
Wenn gar keiner guckt – ist klar! – das ist doof. Aber wenn man von etwas überzeugt ist, braucht es manchmal seine Zeit, es aufzubauen oder zu entwickeln. Und in solchen Phasen habe ich immer gut funktioniert – das war in den 1990er-Jahren bei Pro7 so und übrigens bei Premiere auch ohne Redaktion und doppeltem Boden.
Tele5 war bis 2020 der letzte gallische Sender, in dem man durch den Macher Kai Blasberg noch genauso kreativ sein konnte. So etwas findet man heute nicht mehr.
Ist es heute also schwerer, eine Kunstfigur Oliver Kalkofe zu werden?
Ich glaube, ich hätte heute kaum eine Chance, das zu werden, was ich damals geworden bin – was auch immer das sein mag. Das weiß ich manchmal selber nicht. Humorfacharbeiter vielleicht.
Es ist bizarr: Einerseits hat man mehr Möglichkeiten denn je, andererseits wird es dadurch auch schwieriger als es jemals war, etwas hinzubekommen. Heute würde ich wahrscheinlich über YouTube oder irgend so etwas gehen und da irgendwelche Formate entwickeln. Vielleicht würde es klappen, dass ich damit ein bisschen Geld verdiene und dass ich daraus dann die nächsten Sachen entwickle.
Auf diesen kreativen Plattformen liegen Fluch und Segen nah beieinander. Theoretisch kann jeder machen und werden, was er will. Gleichzeitig wird nirgendwo so sehr gelogen, indoktriniert und so viel Blödsinn erzählt.
Was ich auch sehr bemerkenswert finde, sind Influencer. Werbung wird zur Unterhaltung. Millionen folgen gut aussehenden Leuten, die irgendwelche Produkte gut finden. Wie absurd ist das denn? Keiner von uns wäre damals auf die Idee gekommen, einem Herrn Kaiser oder einer Frau Sommer von Jacobs Kaffee eine Postkarte zu schicken: „Ich find‘ dich so süß. Ganz klasse, was du da anhast. Wow, ich find‘ dich mega!“ Wie bescheuert ist das? Wie leicht lassen sich Menschen manipulieren? Das hätte ich mir nie vorstellen können. Vor dreißig Jahren hätten wir das für eine Parodie aus dem Frühstyxfernsehen gehalten.
Aber zurück zu deiner Frage: Ich hatte das ganz große Glück, dass ich Anfang der 1990er-Jahre da so reingerutscht bin, als gerade humortechnisch hier in Deutschland noch Dürrezeit war. Wir hatten Otto, Dieter Hallervorden, Mike Krüger, Insterburg & Co. und Loriot, der über allem thronte.
Es fällt auf, dass eine Reihe Kollegen – weniger Kolleginnen – auf einer Achse des Irrsinns aufgewachsen sind. Von Duisburg über Bielefeld bis Peine. Torsten Sträter, Bastian Pastewka, Oliver Welke und viele andere. Was macht den mittleren Norden so besonders fruchtbar?
Man kennt sich untereinander. Alle, die auf der Achse des Blöden groß geworden sind, kommen aus eher piefigen Verhältnissen und sind in einem gewissen Muff aufgewachsen. Keiner ist hipp und cool in der Großstadt aufgewachsen, keiner war megasportlich, Rockstar oder sonstiges. Es war einfach nur langweilig. Es gab
drei Fernsehprogramme und öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Ich habe alles aufgenommen, was interessant war und habe es 20-fach konsumiert.
Wenn ich mir vorstelle, ich wäre in den ersten Jahren dieses Jahrhunderts geboren und dann aufgewachsen, hätte ich die Möglichkeiten gesehen, von denen ich früher nicht einmal gewagt hatte zu träumen – und aus mir wäre nichts geworden. Ich würde den ganzen Tag vor irgendeinem Bildschirm sitzen und jeden Blödsinn aufsaugen, der sich mir bietet.
Die Langeweile hat mich damals motiviert. Alle von uns Humorfacharbeitern sind nach oben gescheiterte Existenzen. Wir alle haben erkannt, dass man den Irrsinn des Lebens und die Unverständlichkeit der Welt mit Humor sehen kann. Das hat viel mit Selbstverteidigung zu tun. Entweder wird man Terrorist, wütend oder depressiv – oder man nimmt es mit Humor.
Aus Passion #13/2023
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