Gegründet von Territory, dem zu G+J gehörenden Marktführer für Content Communication, und Kolle Rebbe, einer der führenden Kreativagenturen Deutschlands, ist Honey mit Sitz in Hamburg die erste Agentur, die kreative und strategische Markenführung, PR, Journalismus und Technologie miteinander verbindet.

Wir haben uns für die Passion #2 mit Content Manager Joerg Strauss zusammengesetzt, um über modernes Corporate Publishing zu sprechen. 

Jörg Strauss

Herr Strauss, auf dem Weg zu Ihnen in der U-Bahn das gewohnte Bild: Gesenkte Köpfe, die eine stattliche Anzahl an Headlines, WhatsApp-Nachrichten und die letzte Folge der dritten Staffel Lucky Man verarbeiten müssen. Beschleicht Sie manchmal das Gefühl, als Content-Stratege nicht mehr Herr der Lage zu sein?

Das Beruhigende ist: Der Tag hat nach wie vor nur 24 Stunden und ein Drittel dieser Zeit verbringen die Menschen noch immer mit Schlafen. Menschen konsumieren heute nicht mehr Medien als früher, aber sie konsumieren anders, viel funktionaler und zielgerichteter. Das entspannte „Ich schau mal, was gerade im Fernsehen läuft“ früherer Jahre wird immer seltener. Medienkonsum ist viel transparenter, wir wissen dank der technologischen Möglichkeiten heute besser, wann wir welche Leute über welche Kanäle womit erreichen können. Das ist für Kommunikationsstrategien grundsätzlich ein Fortschritt. 

Kommunikation und Austausch finden dank Digitalisierung zunehmend online statt. 3,8 Milliarden Euro werden für Content Marketing in Deutschland, Österreich und der Schweiz in digitale Medien investiert. Die Halbwertszeit von Online-Beiträgen ist jedoch vergleichbar kurz. Die Flüchtigkeit der Online-Welt und der nicht zu unterschätzende fehlende Lesekomfort auf den sehr kleinen Bildschirmen mobiler Endgeräte befördern lange redaktionelle Beiträge schnell ins digitale Nirvana, ohne dass sie jemals Beachtung gefunden haben. Kann auf diesem Weg Corporate Publishing Erfolg haben?

Digitalstrategen argumentieren immer mit Kontaktzahlen und Reichweite und tatsächlich lässt sich die Ansprache von Konsumenten ja gezielt aussteuern. Was bei dieser Argumentation immer ein bisschen unausgesprochen bleibt, ist die Tatsache, dass diese Kontakte nicht besonders nachhaltig sind. Im digitalen Umfeld vergisst man schneller. 

Dann hat ein Printmagazin entscheidende Vorteile?

Print ist nach wie vor unschlagbar, wenn es um Kundenbindung geht. Die Entscheidung für Print ist immer eine bewusste Entscheidung. Man setzt sich hin, nimmt ein Magazin zur Hand und hat Zeit, die Inhalte auf sich wirken zu lassen. Man kann eine Marke über Print viel besser ausprägen – nicht nur inhaltlich über Themen und Duktus, sondern auch zum Beispiel über das Format, die Haptik, die Papierqualität usw. Je nach Marke sollte allerdings eine gute Balance gefunden werden zwischen Print und Digitalem, selbstverständlich sollten im Jahr 2019 Marken auch im Netz eine Identität haben und ein zeitgemäßes Angebot bieten.

Jerome Boateng im Berliner Kiosk am Launch-Tag seines Magazins „BOA“

Als langjähriges Mitglied der G+J Corporate Editors wissen Sie um die wichtigsten Regeln. Was macht ein Printmagazin erfolgreich? Wie oft sollte es zum Beispiel erscheinen?

Ein Magazin ist dann erfolgreich, wenn es auf subtile Art Identifikation stiftet und es schafft, über Inhalte immer wieder neu zu inspirieren und den Nerv der Zielgruppe zu treffen. Das hört sich simpel an, setzt aber umfassendes Wissen über die potenzielle Leserschaft und einen erheblichen journalistischen Anspruch voraus. Was die Frequenz angeht: Vier Ausgaben pro Jahr sind für die meisten Unternehmen ein guter Mittelwert für die Printausgabe, zumal aktuelle News über die Online-Präsenz publiziert werden können. 


Die Februar-Ausgabe der DB mobil mit einem Beitrag über Florence Kasumba – die neue Tatort-Kommissarin.

Mittlerweile haben Kunden- und auch Mitarbeitermagazine einen Qualitätsstandard erreicht, der es mit den Magazinen am Kiosk locker aufnehmen kann. Die Seh- und Hörgewohnheiten haben sich durch Netflix, Prime und Podcasts innerhalb kürzester Zeit radikal verändert. Der User entscheidet, wann wer wie wo informiert und unterhält. Welche Entwicklung sehen Sie in diesem Zusammenhang?

Unternehmensmagazine haben sich in den letzten Jahren sehr verändert. Sie sind inzwischen selbstverständlich nicht nur in den wichtigsten Medienkanälen präsent, sondern haben auch eine klare Haltung ausgeprägt. Die Magazine der Lufthansa-Medienfamilie oder mobil von der Deutschen Bahn (beide seit Jahren betreut von Territory, Hamburg) bedienen auf die jeweilige Zielgruppe zugeschnittene Themenwelten, das auftraggebende Unternehmen tritt mehr und mehr in den Hintergrund.

Die Aufmerksamkeitsspanne in der Mediennutzung wird kürzer, immer weniger Leute schauen den 3-Stunden- Film im Arthouse-Kino oder verbringen den Samstagnachmittag gemütlich mit dem Dossier der „Zeit“. Das ist ein Trend – auch in klassischen Magazinen sind die Inhalte deshalb „häppchenhafter“ geworden. Andererseits glaube ich, dass Leser bzw. User immer Konsumenten bleiben werden. Ich glaube nicht an interaktiven Content, bei dem man zum Beispiel über das Ende einer Serienepisode mitentscheiden soll. Konsumenten wollen sich „fallenlassen“ und irgendwann werden sie auch wieder längere Formate zu schätzen wissen. 

Seit mehr als zwei Jahren liefern Sie mit Honey in Hamburg Content für Marken, frei von Kampagnenzyklen, von Silodenken und überholten Prozessen. Was ist neu am Content Campaigning?

Content für Marken und Kampagnen für Marken waren bislang nicht oder nur wenig synchronisiert, sie wurden erdacht von verschiedenen Agenturen, sie entstanden in unterschiedlichen Prozessen, oft für unterschiedliche Ansprechpartner auf Kundenseite. Der Konsument weiß davon nichts, er wundert sich nur, dass der Content einer Marke nicht immer zur Werbung passt. Dabei sollte eine Marke ja konsistent wirken – egal ob man in einem Shop ist, sich im Internet informiert oder ein Magazin liest. Die Wirkung von Kommunikation über alle Kanäle aus einem Kerngedanken heraus – das verstehen wir unter Content Campaigning. 

Ist die komplexe Informationswelt in Zukunft lenkbar?

Es ist schwer abzusehen, wer in, sagen wir mal, 10 Jahren die Informationswelt dominieren wird, ob es die Medienhäuser sein werden, die Technologiekonzerne oder eine ganz andere Gruppe. Mit Blick auf Kommunikation kann man nur sagen: Die Unternehmen und Marken, die ihre Kunden und ihre Bedürfnisse gut verstehen und in der Lage sind, auf Basis der künftig zeitgemäßen Technologie daraus inspirierende Medienangebote zu konzipieren, müssen sich auch übermorgen keine Sorgen machen. 

Herr Strauss, vielen Dank für dieses Gespräch!