Lou, du bist ausgebildete Bürokauffrau, ehemalige Fitness-Influencerin, Feministin, Aktivistin gegen Bodyshaming und für Body Positivity, Moderatorin, Gründerin eines Onlineshops für nachhaltige Produkte, politische Aktivistin gegen Rassismus, Chancenungleichheit und Klimakrise, Social-Media-Beraterin, Autorin, Speakerin und Podcasterin.
Ja, krass, da hast du ganz schön viel gefunden über mich!
Was davon – mal abgesehen von Bürokauffrau – konntest du dir vor zehn Jahren für dich überhaupt vorstellen?
Ehrlicherweise: tatsächlich gar nichts davon. Ich dachte immer, ich werde bei meinem Vater im Büro arbeiten oder auf den Dächern auf den Baustellen mithelfen und Fotovoltaikanlagen installieren und in Betrieb nehmen. Das ist das, was ich damals mit ihm gemacht habe.
Alles, was dann mit Instagram passiert ist, war null Prozent geplant. Das hätte ich mir auch nie so vorstellen können, und ich hatte auch überhaupt keine Ahnung davon.
Du hast sehr viel aufgezählt, was ich mache. So eine Aufzählung setzt mich immer unter Druck. Ich verstehe, dass die Medien mich in eine Schublade stecken wollen oder müssen, um mich so ein bisschen einordnen zu können. Es ist einfach so vieles, was du aufgezählt hast. Bestimmt mache ich auch was in all den Bereichen. Es ist auch einfach zu sagen, ich sei Aktivistin für dieses oder jenes Thema. Mich persönlich interessiert und berührt so vieles, dass ich es super schwierig finde, überhaupt zu erklären, was ich so mache – außer einfach zu sagen: Ich bin Lou!
Du hast angefangen als Fitness-Influencerin auf deinem Instagram-Kanal. Was war eigentlich der Auslöser, das zu machen?
Ich habe mich damals zu dick gefühlt. Die Plattform Instagram bot Fitness-Workouts und Fitness-Fotos. Damit wollte ich mich ein bisschen motivieren. Gleichzeitig habe ich für meine Freundinnen angefangen zu dokumentieren, was ich so treibe und welche Fortschritte ich mache. Irgendwie war ich dann zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Plötzlich haben mir mehr Leute als nur meine Freundinnen zugeguckt. So hat sich das irgendwie entwickelt.
Und dann gab es eine Diagnose, die dich aus der Bahn geworfen hat. Was wurde da diagnostiziert?
Genau. Ich hatte damals ein sehr gestörtes Verhältnis zum Essen und zu Sport. Man kann fast sagen, ich hatte einen Sportwahn. Irgendwann wog ich nur noch 46 Kilo, wollte das aber nicht sehen. Ich fühlte mich immer noch zu dick, wollte immer noch mehr Sport treiben und bin dann des Öfteren, als ich so dünn war, beim Sport umgekippt. Ich dachte, vielleicht müsse ich doch einmal mehr Nudeln essen. Nachdem sich aber die Ausfälle mehr und mehr gehäuft hatten, haben mich mein damaliger Freund und mein Vater zum Arzt geschickt. Es stellte sich heraus, dass ich schon lange ein Loch in einer Herzklappe habe. Durch meinen exzessiven Sport und das ungesunde Leben hat meine Herzklappe nicht mehr mitgemacht. Und ich wurde dann ein paar Wochen später operiert.
Wurde dir eine neue Herzklappe eingesetzt?
Man wusste vorher nicht genau, was zu tun ist. Das heißt, es wurde erst dann entschieden, als ich aufgeschnitten war und geschaut werden konnte. Letztendlich musste nur geflickt werden. Das war für mich Glück im Unglück – es musste nichts ausgetauscht oder irgendwie rekonstruiert werden. Bis heute ist alles tipptopp.
Wie hast du diesen Übergang – von fit zu krank, von hundert auf null – gemeistert? Du durftest schließlich keinen Sport treiben. Wie hast du das alles bewältigt? Was ging dir da durch den Kopf?
Es war für mich in der ersten Zeit total schwierig. Das muss man sich vorstellen, wenn du konstant dreimal am Tag Sport getrieben hast und genau das dann auf einmal nicht mehr kannst. Du liegst die ganze Zeit im Bett, der Brustkorb ist aufgeschnitten, und du kannst nicht einmal mehr richtig auf Toilette gehen. Es hat schon viel mit mir gemacht. Und ich habe dann auch relativ schnell eine Therapie angefangen – nicht nur deswegen, sondern weil die OP bei mir ziemlich viel emotional aufgewühlt hat. Ich habe mir dann einfach Hilfe gesucht und konnte so eigentlich relativ schnell total gut damit umgehen. Der Prozess war letztendlich – so komisch sich das anhört – eher ein Segen und eine Erlösung, diesen harten Cut zu haben, wieder zu essen und sich keine Gedanken mehr darüber zu machen, kein Sixpack mehr zu haben oder dass die Muskeln heute nicht so aufgepumpt sind – fürs Foto auf Instagram.
Wenn man sich deine Aktivitäten in den letzten fünf Jahren anguckt, hat man das Gefühl, dass dich ziemlich viele Themen interessieren und beschäftigen. Dass du aber auf der anderen Seite auch angefangen hast, viele Ideen in die Tat umzusetzen. Du drehst ziemlich viele Teller auf einmal. Wofür könnte das Ausdruck sein?
Ich finde deine Frage total schwer zu beantworten. Ich interessiere mich einfach für so viele Dinge. Und wenn mir Menschen Geschichten erzählen, die sie beschäftigen oder die Herausforderungen für sie sind, bin ich voll empathisch und versuche mich einzufühlen.
Ich habe eine coole Reichweite, mit der man viel bewirken kann. Deswegen ist es mir einfach lieb, wichtige Themen anzusprechen. Daher auch der Bauchladen mit unterschiedlichen Themen, die ich jedes für sich super relevant finde. Es gibt nicht die eine Herausforderung auf unserem Planeten, sondern unglaublich viele unterschiedliche Lebensrealitäten. Genau das ist es, was ich auf meinem Account ausdrücken will.
Du hast fast 500.000 Follower auf Instagram. Was, denkst du, macht dich so erfolgreich?
Damals war es, glaube ich, einfach Glück, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Und dann? Ich weiß nicht, ob es vielleicht an meiner Art liegt. Ich bin vor der Kamera nicht anders als ohne Kamera, weil ich es viel zu anstrengend finden würde, da irgendwie ein Schauspiel hinzulegen. Vielleicht ist es auch, dass ich immer probiere, Brücken zu bauen. Ich versuche immer, beide Positionen zu verstehen und alle zueinanderzubringen. Das ist, wie du dir vorstellen kannst, in der heutigen Zeit mit den vielen Themen und Gefühlen nicht immer so einfach. Aber ich glaube, dass die Leute mich und meine Arbeit dafür zu schätzen wissen und vielleicht gerade deswegen auf meinem Account sind, um das auch zu lernen.
Und vielleicht bist du auch einfach „die von nebenan“, der man gern zuhört. Du bist nicht abgehoben, stehst nicht auf einem Sockel, sondern bist einfach so, wie du bist. Und man nimmt dir das ab.
Eine Followerin hat mir neulich geschrieben, dass ich für sie so etwas wie eine digitale Schwester bin. Ich kann es natürlich nicht nachempfinden, weil ich auf der anderen Seite stehe. Aber ich fand das ein sehr schönes Kompliment – und gleichzeitig super viel Verantwortung. Ich weiß, dass ich sehr viel Verantwortung trage, wenn ich bei solch einer Reichweite etwas sende.
Dein Podcast Lou gibt viele Einblicke in dein Leben. Du führst Gespräche mit Menschen wie unserem neuen Kanzler Olaf Scholz oder mit Annalena Baerbock. Könnte das dein Weg in die Zukunft sein? Lou als Moderatorin – vielleicht auf anderen Kanälen wie Fernsehen oder Streamingdiensten?
Tatsächlich schon! Das ist das, was mir Spaß macht: mit Menschen zu reden, Fragen zu stellen, auch ruhig mal die Fragen so zu stellen, dass man dann auch versteht, was man als Antwort bekommt. Ich finde genau das sehr wichtig.
Darüber hinaus bin ich ja jetzt schon im NDR-Talkshow-Format deep und deutlich dabei. Aminata Belli und ich produzieren gerade die zweite Staffel. Und da darf ich genau das machen: Fragen stellen, mit Menschen reden.
Und deswegen mache ich auch meinen Podcast. Der Podcast ist eher ein Herzensprojekt. Damit verdiene ich nichts, im Gegenteil, da stecke ich manchmal noch was rein. Aber es macht mir Freude. Ich habe einfach Bock, mit Menschen zu sprechen und diese Gespräche dann mit anderen Menschen zu teilen. Und letztendlich ist es ja für einen selbst auch immer eine Bereicherung, weil man jedes Mal aus den Gesprächen was mitnehmen kann.
Für mich bist du die Meisterin des Übergangs. Du schwimmst viele, oft auch neue Bahnen. Welche Tipps kannst du jungen Leuten geben, die auch viele Ideen haben, aber oft orientierungslos sind?
Ich habe ein extrem gut ausgeprägtes Bauchgefühl. Ich habe schon einige Male nicht auf mein Bauchgefühl gehört, weil ich verstandesmäßig lieber auf meinen Kopf hören wollte. Das Resultat: Ich hätte jedes Mal auf meinen Bauch hören sollen. Es gibt manchmal Momente im Leben, in denen man intuitiv spürt, dass diese oder jene Idee jetzt genau die richtige ist, und es sich gut anfühlt: Dann muss man das einfach machen.
Egal was passiert – ob das eine Entscheidung ist, die mich letztendlich vor eine krasse Herausforderung stellt oder mich noch einmal zwei Schritte zurückgehen lässt. Selbst wenn ich irgendwann einmal einen wirklich großen Fehler mache, dann habe ich zwei gesunde Hände, mit denen ich bestimmt irgendwo Arbeit finden kann, um Geld zu verdienen.
Du bist nebenbei auch noch Social-Media-Beraterin – steht auch in deiner langen Liste. Wenn man auf Instagram als Influencer:in unterwegs ist, darf das alles natürlich kein eitler Selbstläufer sein. Wie geht man zum Beispiel in Corona- und Kriegszeiten mit seinen Posts um?
Ich kann dazu natürlich immer nur Empfehlungen geben und aus meiner Erfahrung sprechen. Wir müssen uns dessen bewusst sein, dass es in den nächsten Jahren so sein wird, dass es Krieg gibt, dass sich durch die Klimakrise eine veränderte Situation in Deutschland oder irgendwo anders auf der Welt einstellt und so weiter. Damit müssen wir dann in der Öffentlichkeit umgehen.
Influencer:in ist ein Job. Wir müssen uns alle dessen bewusst sein, dass wir Reichweite haben und dass in solchen Zeiten, in denen wir jetzt leben und die auch in den nächsten Jahren nicht leichter werden, neben all dem Coolen, was wir machen, immer auch Platz sein muss für gesellschaftspolitische Themen. Und ich rate meinen Kolleg:innen, die sich in politischen Themen nicht sicher fühlen, ihre Reichweite einen Nachmittag an eine:n Expert:in abzugeben. Sag deiner Community, dass dir ein Thema, das uns alle beschäftigt, sehr am Herzen liegt und du deswegen jemanden eingeladen hast, deine Reichweite zu nutzen, um mit euch über dieses Thema zu sprechen. Das fordern auch immer mehr Menschen, die Influencer:innen folgen.
Wohin führt dich dein Weg? Gewährst du uns vielleicht einen Ausblick?
Man wird mich mehr auf Bühnen sehen. Oder vielleicht das ein oder andere Mal im TV. Und ich möchte gerne das, was ich zehn Jahre gelernt habe, Unternehmen beibringen. Andere Influencer:innen möchte ich mehr und mehr beraten, in Zukunft mit wichtigen Themen unserer Gegenwart ein bisschen besser umzugehen und über Werbung, Nachhaltigkeit und die Kommunikation noch mal anders nachzudenken. Das sind die großen Themen, die ich mir aufgeschrieben habe.
Zusätzlich darf ich Teil einer Produktionsfirma sein, die wir gegründet haben. Mit diesem Unternehmen schauen wir, dass wir journalistische Inhalte auf allen Ausspielwegen noch einmal auf ein ganz neues Level heben und noch mehr Menschen aus den unterschiedlichsten Lebensrealitäten zusammenbringen.
Wenn du jetzt die letzten zehn Jahre noch mal Revue passieren lässt, ist dir deine Entwicklung auch manchmal unheimlich?
Ob du es glaubst oder nicht: Ich denke gar nicht so oft zurück oder reflektiere das Geschehene. Dafür habe ich nicht so viel Zeit. Ich denke eher an die Zukunft. Was passiert beispielsweise jetzt gerade am Hauptbahnhof mit den Menschen, die aus der Ukraine kommen? Ich nehme viele Dinge aus meiner Vergangenheit hin und würde auch nichts verändern wollen. Durch all das, was ich gemacht habe – auch die Fehler –, bin ich da, wo ich jetzt bin.
Lou, ich bedanke mich.
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Schöner Beitrag, ich habe ihn mit meinen Freunden geteilt.