Ein wissenschaftlicher Indikator, mit dem sich messen lässt, wie sich das Leben, das ein jeder Mensch führt, auf den Planeten Erde auswirkt, ist der ökologische Fußabdruck. Er rechnet in Hektar um, was ein Mensch an Natur verkonsumiert und vergleicht dies mit der Fläche, welche die Natur zur Verfügung hat, um diesen Konsum wieder auszugleichen. Dann kann nachwachsen, was geerntet wurde, oder sich die Natur einfach erholen. Der ökologische Fußabdruck wendet diese Regel, erweitert um jene Faktoren, die unsere Welt komplexer machen, auf den kompletten Planeten und die Menscheit als Ganzes an. 

Seit Mitte der Siebzigerjahre liegt der ökologische Fußabdruck der Menschheit außerhalb dessen, was die Erde hergibt. Jedes Jahr wandert der Tag, an dem wir bereits verbraucht haben, was für das ganze Jahr reichen sollte, im Kalender weiter nach vorn. Für Deutschland allein lag der sog. Overshoot Day, der Übernutzungstag, 2020 schon beim 3. Mai.



Overshoot days nach Ländern 2020
Quelle: Global Footprint Network, National Footprint and Biocapacity Accounts 2019

Die Klimakrise und die Coronakrise zeigen dem Mensch seine Grenzen auf. Das Bedürfnis nach Antworten auf Fragen zu nachhaltigem Konsum wächst – man will wissen, wie’s geht.  Wir haben uns für die sechste Ausgabe der Passion, dem Kundenmagazin von BerlinDruck, mit der Autorin des gerade erschienenen „Konsumkompass“, Katarina Schickling, darüber unterhalten, welche Auswirkungen der Lockdown auf die Gesellschaft hat und ob nicht gerade jetzt die Chance auf ein nachhaltigeres Leben wächst.

Eckard Christiani im Gespräch mit Katarina Schickling

Frau Schickling, haben Sie den Eindruck, dass die Coronakrise nachhaltiges Neudenken aus dem Fokus genommen hat? 

Das dachte ich zuerst auch. Inzwischen glaube ich aber, dass die Krise vielleicht sogar eine Chance ist – und das aus verschiedenen Gründen. Erstens, weil wir alle gerade gelernt haben, wie stark wir unser Leben verändern können, wenn wir uns nur vor einer Sache genug fürchten. Unzweifelhaft ist der Klimawandel eine viel, viel größere Bedrohung für uns als die COVID-19-Pandemie. Das Virus ist dann doch irgendwie nicht so tödlich, wie es der Klimawandel sein wird, wenn er ungebremst auf unseren Planeten trifft und wir nichts dagegen unternehmen. Ich glaube, dass diese Erfahrung, dass wir ganz vieles ganz anders machen können, etwas ist, was uns in Zukunft tragen kann und was uns dabei helfen kann, Sachen besser zu machen.

Und zweitens?

Zweitens nehmen wir gerade sehr viel Geld in die Hand, um unsere Wirtschaft wieder auf die Füße zu stellen. Es ist ein ermutigendes Signal, dass das Konjunkturpaket der Bundesregierung kein Revival der Abwrackprämie enthält. Wenn unser Staat so einmalig viel Geld in die Hand nimmt, dann sollte dieses Geld auch dazu beitragen, uns in Sachen Nachhaltigkeit zukunftsfähig zu machen. Sicher wäre da an manchen Stellen noch mehr drin gewesen. Aber das ist auf jeden Fall ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, und eine klare Abkehr von der bisherigen Politik, wo es starken Lobbygruppen immer wieder gelungen ist, sterbende Geschäftsmodelle wie den Kohlebergbau oder eben auch den Verbrennermotor mit staatlichen Subventionen am Leben zu halten. Das freut mich.

Müssen wir nicht, wie die Ökonomin Maja Göpel es kürzlich in ihrem Buch formuliert hat, die Welt gänzlich neu denken?

Wir haben an vielen Stellen schon jetzt gelernt, dass man vieles plötzlich auch ganz anders machen kann – und da sehe ich die eigentliche Chance. Beim Thema Home Office haben die Arbeitgeber immer die Angst gehabt, dass ihre Leute zuhause nicht arbeiten. Jetzt haben sie gelernt, das machen die doch! Natürlich bleiben ab jetzt nicht immerzu alle im Home Office, aber das muss auch nicht sein. Wenn aber zumindest die, bei denen es funktioniert, einen oder zwei Tage nicht mehr zur Arbeit fahren, wieviel weniger Abgase haben wir dann, wie entspannter wird unser öffentliches Nahverkehrssystem, wieviel Büroraum gewinnen wir zusätzlich – zum Beispiel für Wohnraum? In solchen Bereichen kann das, was wir gerade aus der Krise lernen, zum Umdenken führen. Ich glaube, dass das Thema Dienstreisen ganz anders gedacht werden wird, weil es eben nicht viele Anlässe gibt, an denen ein persönlicher direkter Austausch notwendig ist. Wenn Dinge ganz einfach ganz anders funktionieren, dann liegt in der Krise eine Chance.

Katarina Schickling 
ist Dokumentarfilmerin, Ernährungsexpertin und Bestsellerautorin mit dem Schwerpunkt Nahrungsmittel und der dazugehörigen Industrie. Als Expertin wird sie von ARD, ZDF und vielen weiteren Medien immer wieder zurate gezogen, wenn’s ums Essen und um umweltbewusstes Leben geht.
(Foto: Michael Jungblut, fotoetage)

Sie suchen genau nach solchen Antworten. Wenn man aber Ihr Buch liest, weiß man hinterher ganz genau, dass es keine einfachen Antworten gibt. 

Mir ist es wichtig, dass die Sachen, die ich erzähle, stimmen. Deswegen der Abgleich mit vielen seriösen Studien. Ich finde aber gleichzeitig die Tatsache, dass es so kompliziert ist, wiederum entspannend. Ich glaube, dass es total wichtig ist, bewusster zu konsumieren und dass es ganz viele Dinge gibt, wo man mit kleinen Veränderungen tatsächlich einen Unterschied macht, ohne dass man sich da schrecklich einschränkt. Alle diese Dinge kann man einfach schon mal tun. Wenn man damit angefangen hat, dann ändern sich in der Wahrnehmung ganz automatisch die Dinge. Dann denkt man sich, jetzt mach ich das schon, dann kann ich das auch noch machen. Es ist illusorisch zu denken, dass jeder alles perfekt machen kann. Ich glaube auch gar nicht, dass das nötig ist. Was mir aber ganz wichtig ist, dass man an den Stellen, an denen man sich ganz bewusst entscheidet, etwas Unökologisches zu tun, dann sollte man das auch mit Freude tun.

Frau Schickling, vielen Dank für dieses Gespräch.